Was ist wichtiger? Customer Experience oder User Experience?
Um diese Frage zu beantworten schauen wir am besten einmal ein Beispiel an:
Gute User Experience, schlechte Customer Experience
Sie gehen auf die Webseite eines grossen Onlineshops und suchen nach neuen Wanderschuhen, da die Wandersaison bevorsteht. Der Webshop ist super gemacht, die Webseite ist ansprechend gestaltet, Sie finden ganz ohne Mühe mit wenigen Klicks die Schuhe, die Sie kaufen wollen und gehen weiter zum Checkout. Auch hier sind sie überrascht, wie einfach und schnell Sie Ihr Ziel erreichen konnten. Insgesamt sind Sie sehr zufrieden mit der gesamten Webseite und verlassen diese mit einem guten Gefühl wieder. Die Webseite hat Ihnen offensichtlich eine gute User Experience bieten können.
Am nächsten Morgen haben Sie immernoch Freude an der guten Erfahrung, die Sie mit der Webseite gemacht haben und sind jetzt schon gespannt, wann diese Schuhe denn bei Ihnen ankommen werden. Sie gehen also wieder auf die Webseite und suchen nach Informationen zum Versand. Sie sind freudig überrascht, da Ihre Bestellung bereits bearbeitet wurde und schon unterwegs zu Ihnen ist. Beruhigt trinken Sie Ihren Morgenkaffe fertig und machen sich auf zur Arbeit.
Als nach über zwei Wochen immer noch kein Paket bei Ihnen angekommen ist, werden Sie doch langsam ungeduldig: Sie hätten die Schuhe bereits auf der letzten Wanderung gebrauchen können. Sie gehen also wieder auf die Webseite und suchen bereits etwas genervt nach einer Telefonnummer des Kundendienstes. Kann ja nicht sein, dass die Schuhe über eine Woche in einem Lastwagen umherirren. Sie finden die Nummer ohne Probleme und möchten gleich anrufen, aber da entdecken sie bereits das erste Problem: Die Telefonnummer ist nur von Mo - Fr bis 17:00 Uhr besetzt. Sie nerven sich noch ein bisschen mehr, aber na gut, dann rufen Sie halt am nächsten Tag an.
Am nächsten Tag probieren Sie nun endlich anzurufen. Leider klappt das nicht beim ersten Versuch, da Sie in eine Wartschlange kommen, bei der Sie nicht wissen wie lange das noch dauert und nervtötende Musik Ihrem bereits etwas gebeutelten Gemüt weiter zusetzen. Nach gefühlten 100 Versuchen erreichen Sie endlich einen Kundendienstmitarbeiter, den Sie kaum verstehen, weil der so schnell redet. Sie schildern ihm Ihr Problem, das der Mitarbeiter nicht wirklich als Problem wahrnimmt. Er teilt Ihnen genervt mit, dass es überhaupt nichts Ungewöhnliches sei, dass das versandte Paket über zwei Wochen hat um anzukommen und Sie sich gedulden und entspannen sollen. Etwas wütend und definitiv genervt legen Sie wieder auf. So geht das noch ein paar mal und der Kundendienstmitarbeiter vertröstet Sie noch einige Male, dass das Paket noch unterwegs sei und Sie sich gedulden sollen. Nach einer weiteren Woche kommt dann endlich das lang ersehnte Paket mit Ihren neuen Wanderschuhen drin.
Sie haben Ihr Ziel erreicht, aber werden wohl eine schlechte Erinnerung an den Online Shop mitnehmen und dort wahrscheinlich nur noch etwas bestellen, wenn es das Produkt nirgends sonst gibt. Wenn Ihnen ein Bekannter etwas von diesem Shop erzählt, werden Sie sich an Ihre Geschichte sicher gleich erinnern und dem Bekannten davon auch erzählen. Trotz guter User Experience beim Onlineshop werden Sie die Firma wohl eher in Zukunft meiden. Die Customer Experience mit dieser Firma war insgesamt eher schlecht: Sie mussten lange auf Ihr Produkt warten, wurden eher unfreundlich behandelt und mussten immer wieder anrufen.
Gute Customer Experience, schlechte User Experience
Stellen Sie sich nun ein ähnliches Szenario vor, aber der Onlineshop sieht sehr altmodisch und unübersichtlich aus, sie müssen eine gefühlte Ewigkeit suchen, bis Sie ein paar passende Schuhe gefunden haben, und beim Checkout müssen Sie so ein grosses Formular ausfüllen, dass Ihnen beinahe schwindlig wird.
Auch hier dauert der Versand gefühlt viel zu lange und Sie informieren sich abends, wo man da nachfragen kann. Auf der Webseite finden Sie eine Telefonnummer, eine E-Mail Adresse und ein Kontaktformular. Wie praktisch denken Sie sich, da sie nun nicht bis morgen warten müssen, um anzurufen, sondern gleich eine Mail schreiben können.
Am gleichen Tag erhalten Sie gleich noch eine Antwort-E-Mail mit der Information, dass es Lieferschwierigkeiten gegeben hat und man sich dafür entschuldigt. Die Schuhe seien aber nun im Verteilzenter angekommen und sollten bald an Sie ausgeliefert werden. Als die Schuhe eine weitere Woche später dann wirklich ankommen, haben Sie natürlich Freude. Die Freude wird gleich noch grösser, als Sie das Paket öffnen und sie darin neben den bestellten Schuhen eine kleine Karte finden, in der sich die Firma für die Lieferschwierigkeiten entschuldigt, und Ihnen dafür gratis ein kleines Schuhputzset mitgeliefert hat.
Was ist nun wichtiger? CX oder UX?
Welches nun wichtiger ist, darüber kann man wahrscheinlich philosophieren. Schlussendlich können beide Bereiche ausschlaggebend sein:
- Einerseits kann eine schlechte Webseite, oder eine schlechte App jemanden davon abhalten, überhaupt irgendwann ins Geschäft mit einer Firma zu kommen und die Firma somit nicht einmal die Chance hat zu zeigen, wie gut oder schlecht ihre gesamte Customer Experience ist. Und auch ein schlechtes Produkt kann leicht dazu führen, dass man mit dieser Firma nichts mehr zu tun haben will, obwohl man nach dem Kauf eigentlich schon Kunde ist und die Customer Experience vielleicht ganz gut ist.
- Anderseits wird man wahrscheinlich auch nichts mehr kaufen, wenn man ein gutes Produkt bekommen hat, es jedoch verspätet angeliefert wurde und man beim Nachfragen über den Verbleib in ewigen Warteschleifen gefangen und schlussendlich noch unfreundlich behandelt wurde. Dass die Webseite, die App oder das Produkt der Firma eine super UX geboten hat, ist dann vielleicht auch egal.
Was man auf jeden Fall sagen kann ist, dass die User Experience ein kritischer Punkt in der gesamten Customer Experience ist. Andererseits ist vieles, was im Bereich der Customer Experience getan wird, eine Voraussetzung dafür, dass die User Experience die Chance hat, wirklich richtig gut zu werden, da schlussendlich das gesamte Zusammenspiel enorm wichtig ist.
Die Frage ist sicher auch, was das Produkt genau ist: Im Beispiel vorhin waren eigentlich die Schuhe das Produkt. Wenn man sich als Produkt eine Software oder eine App vorstellt, die man kauft, ist die User Experience sicher noch wichtiger als im Beispiel vorhin. Jedoch ist auch dort die User Experience wichtig: Wanderschuhe, die sie schlecht binden können, oder die drücken und nicht wasserdicht - oder zumindest wasserabweisend - sind, bieten nicht das beste Nutzererlebnis.